Bye-bye, Vergangenheits-Freunde

Es ist ein Nachmittag im November und wir sitzen in meiner Wohnung und trinken Tee. Wir sind beide etwas verhalten, es fühlt sich komisch an und doch reden wir. Ich möchte dir so viel erzählen, alles erzählen, was in den letzten Jahren passiert ist. Doch ich merke, dass all die Erlebnisse, Höhen und Tiefen, Gefühle und besonders die noch immer tief sitzende Enttäuschung nicht in eine Tasse Tee passen. 

Ich versuche so viel wie es nur geht zu berichten und meine Gefühle dabei wegzuschieben. Ich erzähle und erzähle, von der Ausbildung, der Zeit danach und schließlich meinem Studium. Ich sage, wie schön ich Köln finde, obwohl du das ja selbst wahrscheinlich weißt. Ich erzähle und erzähle und merke, dass du noch gar nichts gesagt hast. Wie waren die letzten Jahre für dich? Was hast du erlebt? Wie geht es dir? Ich erfahre nur, dass du in einer WG wohnst, doch das wusste ich ja auch schon vorher. 

Dann kann ich es nicht mehr für mich behalten und so sprudelt sie aus mir heraus. Die noch immer tief sitzende Enttäuschung. Ich versuche sie irgendwie in Worte zu fassen, aneinander zu reihen und Sätze zu bilden. Sätze, die du endlich hören kannst, weil du vor mir sitzt. Sätze, die dich hoffentlich berühren werden. Sätze, die hoffentlich für ein happy end sorgen werden. Ich erzähle von allen vergangenen Geburtstagen von euch, an denen ich meistens gratuliert habe. Und dann von all meinen vergangenen Geburtstagen, an denen mir im Gegenzug niemand von euch gratuliert hat. Ich erzähle von den Gruppen, die erstellt wurden, um mich zu verarschen. Ich erzähle von den Nachrichten und besonders der einen Sprachnachricht, die mich herabwürdigen und beleidigen sollte. Ich erzähle von der Situation vor dem Club, als ich angesehen wurde, als hätte ich jemandem das Leben genommen. Ich erzähle von den vielen Gesprächen mit meiner Familie und meinen Freunden, in denen ich jedes Mal in Tränen ausgebrochen bin. Und ich erzähle von all den zahlreichen Träumen, in denen wir uns versöhnt haben. Du sitzt schockiert vor mir, doch sagst nichts. Sag doch irgendetwas, mach doch irgendetwas. Irgendetwas, was mich dazu bringt, das alles zu vergessen oder dir und euch zu verzeihen. Doch es passiert nichts. Stattdessen mache ich die Augen auf und realisiere, dass es wieder nur ein Traum war. Alles nur ein Hirngespinst. Nichts anderes. Im Schlaf verarbeitet man das Erlebte, habe ich schon oft gehört. Doch wie lange soll diese Verarbeitung denn bitte noch dauern? Ich halte es nicht mehr aus, tief in mir doch immer noch auf eine Versöhnung zu hoffen. Wieso denn auch? Nachdem, was alles passiert ist? Und nun nach der langen Zeit? Und vor allem, nachdem ich letztes Jahr mit etwas Abstand versucht hatte, dir einen Schritt entgegenzugehen? 

Nein, jetzt ist Schluss. Da ich es nicht persönlich machen kann, mache ich es nun hier. Ich verabschiede mich von euch. Euch, die ich lange meine Freunde genannt habe. Euch, von denen mir damals niemand eine klare Antwort gegeben hat, weil ihr jeden anderen außer eure beste Freundin schützen wolltet. Euch, von denen die meisten mir still und ohne irgendein Wort den Rücken zugekehrt haben. 
Es ist an der Zeit. Es ist sogar lange schon an der Zeit. Ich schließe heute die Tür zu all diesen Erinnerungen. Und zu euch. So viele Texte habe ich geschrieben und versucht, meine Gefühle irgendwie in Worte zu fassen. Und heute habe ich es endlich geschafft und es endlich erkannt und beschlossen.

Ich werde niemandem von euch mehr zum Geburtstag gratulieren, weil mir im Gegenzug ja sowieso nicht gratuliert wird. Ich werde niemandem von euch mehr eine Nachricht schreiben in der Hoffnung, dass sich dann alles klären wird, denn ich werde ja sowieso keine Antwort erhalten. Und was ganz besonders wichtig ist: Ich werde niemals mehr Entscheidungen, die ich für mich treffen möchte, davon abhängig machen, was ihr denn bloß davon denken könntet. 

Jeder bekommt am Ende, das was er verdient. Das, was er gibt und im Gegenzug bereit ist zu geben. – Karma


3 Antworten auf „Bye-bye, Vergangenheits-Freunde“

  1. Bella,ein sehr weiser Entschluss , du bist in deinem Alter schon bedeutend weiter als andere ältere Menschen! Auch bei mir flossen viele Tränen beim Lesen, man hat ja das Eine oder Andere miterlebt und gesehen wie du gelitten hast. Du hast klare,deutliche,eindrucksvolle Worte geschrieben und jetzt ist dieser Abschnitt beendet,Glückwunsch,ein Text der Mut macht!😘🍀

  2. Guten Abend Isabel!
    Dein Text berührt mich sehr. Ich weiß zwar nicht, was das für ein dasClub war und was Ihr dort gemacht habt. Ich merke, wie tief Du verletzt bist. Du investierst soviel in Freundschaften, und irgendwo erwartest Du auch etwas von Deinen Freunden. Bei wahren Freunden musst Du gar nicht soviel tun. Sie sind da, wenn Du sie brauchst und umgekehrt genauso. Ich denke, Du musst das noch alles aufarbeiten, sonst kannst Du nicht damit abschließen.
    Alles Liebe und Gute
    Bettina

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